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Prof. Dr. med. Jan Schmidt zum Thema Darm-Kur
Die Darmgesundheit spielt eine tragende Rolle für das gesamte Wohlbefinden – nicht zuletzt, weil dort das Hauptzentrum des körpereigenen Immunsystems lokalisiert ist. Diesbezüglich wird wissenschaftlich diskutiert, inwieweit sich probiotische Kulturen positiv auf die Darmgesundheit auswirken können – und sich als protektiver Faktor gegenüber pathogenen Bakterien eignen.
Prof. Dr. med. Jan Schmidt ist Facharzt für Chirurgie und hat sich auf den Bereich der Viszeralchirurgie spezialisiert. Als eigenständiger Belegarzt der Schweizer Klinik Im Park und der Klinik Hirslanden Zürich im Zentrum Allgemeine Chirurgie und Viszeralchirurgie profitieren seine Patient*innen vor allem von der langjährigen Praxis des Chirurgen bei komplexen Eingriffen an Pankreas und Co. Komplettiert wird die beeindruckende Expertise von Prof. Dr. med. Jan Schmidt mit ernährungsmedizinischen Therapieansätzen.
Darmgesundheit und Organfunktion
BioProphyl: Prof. Schmidt ihr Fachgebiet umfasst komplexe Eingriffe im Bereich der Bauchspeicheldrüse und des Verdauungstraktes. Können Sie erläutern, inwiefern ein gesunder Darm eine Rolle für die Gesundheit dieser Organe spielen kann?
Prof. Dr. Schmidt: Ein gesunder Darm spielt eine wichtige Rolle bei der Versorgung des Körpers mit Nährstoffen und bei der Heilung von Wunden. Insbesondere nach Bauchspeicheldrüsen-Eingriffen ändert sich die Darmperistaltik oft und das kann in Durchfällen resultieren. Umso wichtiger ist es, hier unterstützend einzugreifen, um die Darmfunktion wieder zu normalisieren. Dadurch können die Nährstoffe wieder besser aufgenommen werden.
Einfluss chirurgischer Eingriffe auf die Darmgesundheit
BioProphyl: Welche Auswirkungen haben chirurgische Eingriffe im Verdauungstrakt oder im Bereich der Bauchspeicheldrüse auf die Darmgesundheit? Wie können Patienten eine optimale Genesung unterstützen?
Prof. Dr. Schmidt: Wie zuvor bereits beschrieben, treten nach Operationen im Verdauungstrakt – insbesondere auch an der Bauchspeicheldrüse – häufig Durchfälle auf, da die Verdauungsleistung der Bauchspeicheldrüse reduziert und/oder die Darmlänge aufgrund der Entfernung eines Darmanteils reduziert ist. Umso wichtiger ist es, auf eine gesunde Darmflora mit einer vernünftigen Stuhlfrequenz und Stuhlbeschaffenheit zu achten. Häufige Durchfälle, aber auch starke Obstipation können hier negative Auswirkungen haben und sollten, wenn immer möglich, normalisiert werden. Patienten können dies durch eine gesunde Ernährung unterstützen. Auch das Führen eines Ernährungstagebuches kann hier hilfreich sein, da es hilft, schlecht vertragene Speisen zu identifizieren und zu vermeiden – und im Gegenteil gut vertragene Speisen bevorzugt zu konsumieren.
Empfehlung von Darmkuren
BioProphyl: Viele Menschen interessieren sich für das Thema Darm, als Massnahme zur Förderung des allgemeinen Wohlbefindens. Gibt es Fälle oder Situationen in denen Sie eine Darmkur ergänzend empfehlen?
Prof. Dr. Schmidt: Eine sogenannte Darmkur – sprich die therapeutische Beeinflussung der Zusammensetzung einer fehlgebildeten Darmflora – kann aus meiner Sicht in bestimmten Fällen unterstützend sinnvoll sein. So gibt es zum Beispiel Fälle, bei denen bestimmte Bakterien im Stuhl überwuchern. Inwieweit probiotische Kulturen an dieser Stelle therapeutisch empfehlenswert sein können, müssen eindeutige wissenschaftliche Belege allerdings zunächst noch klären. Erst dann sind konkrete Aussagen über den gesundheitlichen Nutzen möglich.
Ernährungstipps für Verdauung und Bauchspeicheldrüse
BioProphyl: Welche Rolle spielt die Ernährung bei der Vorbeugung von Problemen im Verdauungstrakt oder in der Bauchspeicheldrüse? Gibt es spezifische Empfehlungen, die sie ihren Patienten in Bezug auf die Ernährung mit an die Hand geben?
Prof. Dr. Schmidt: Bei jeder Verkürzung des Verdauungstraktes durch Entfernung eines Darmanteils können Verdauungsstörungen auftreten. Hierbei spielt die Länge des entfernten Darmabschnittes eine besondere Rolle. Im Einzelfall muss bei Entfernung von großen Teilen des Darms die Ernährung umgestellt werden und/oder peristaltik-bremsende Medikamente eingesetzt werden, damit der Darmtransport langsamer vonstatten geht. Nach Bauchspeicheldrüsen-Operationen ist in der Regel die zusätzliche Gabe von Bauchspeicheldrüsen-Enzymen, die als Tablette hergestellt werden und die dauerhafte Einnahme von Säureblockern zu empfehlen, um die Verdauungsleistung zu verbessern bzw. negative Auswirkung einer Übersäuerung zu vermeiden. Auch die bakteriologische Untersuchung des Stuhls im Hinblick auf eine pathologische Darmkultur kann hilfreich sein. Konkrete Tipps zu einer ergänzenden Supplementation liegen, wie bereits erwähnt, aktuell jedoch noch nicht vor. Gelegentlich lässt es sich zudem nicht vermeiden, Durchfall-hemmende Medikamente einzusetzen.
Ratschläge für Darmkuren nach Operationen
BioProphyl: Für Patienten, die eine Darmkur in Erwägung ziehen: Welche Ratschläge oder Vorsichtsmaßnahmen sollten sie in Betracht ziehen, insbesondere wenn sie bereits chirurgische Eingriffe im Verdauungstrakt hatten?
Prof. Dr. Schmidt: Patienten, die eine starke Verstopfungsneigung haben, sollten vorsichtig mit Interventionen der Darmflora sein, da diese gelegentlich verstärkt werden kann. Die Wissenschaft prüft aktuell noch, ob diese Patienten von einer Gabe spezieller Bakterienkulturen profitieren können. Wenn Durchfall im Vordergrund steht, so gilt es zunächst krankhafte Bakterien durch eine Stuhlkultur-Analyse auszuschließen und diese gegebenenfalls unter ärztlicher Kontrolle zu behandeln.
Auswahlkriterien für Darmsanierungsprodukte
BioProphyl: Viele Menschen interessieren sich auch für Darmsanierungsprodukte. Worauf sollte man aus ihrer Sicht besonders beachten?
Prof. Dr. Schmidt: Aus meiner Sicht sind bei einer gesunden Darmflora Darmsanierungs-Massnahmen nicht notwendig. Nur bei einer nachgewiesenen Schieflage sollte ärztlich abgeklärt werden, ob und welche Therapiemöglichkeiten in Frage kommen. Bei Durchfallneigung hilft die vorgängige Analyse auf das Vorhandensein von pathologischen Erregern im Stuhl. Manchmal müssen diese durch spezielle Antibiotika abgetötet werden. Erst im antibiotikafreien Intervall können sich Mediziner und Patient*in darüber abstimmen, ob der Versuch einer Darmkur sinnvoll sein kann, um eine gesunde Darmflora zu etablieren und aufrechtzuerhalten. Dabei gilt es immer zu beachten, dass konkrete Therapie-Interventionen aktuell noch nicht vorliegen.
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