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Grafische Darstellung von Darm

Prof. Dr. Markus Egert im Experteninterview: Was passiert bei einer Darmsanierung und wann ist sie sinnvoll?

Ist von Gesundheit die Rede, fällt zunehmend der Begriff Mikrobiom. Diese Gesamtheit der Darmbesiedlung soll einen entscheidenden Einfluss auf die Gesundheit des Verdauungstraktes und infolgedessen auf das gesamte Wohlbefinden haben. In diesem Zusammenhang wird diskutiert, inwiefern eine Darmsanierung eine gestörte Darmflora wieder aufbauen kann.

Prof. Dr. Markus Egert ist Professor für Mikrobiologie und Hygiene und hat sich unter anderem auf die Bereiche angewandte und molekulare Mikrobiologie und die Diagnostik von Mikroorganismen spezialisiert. Im Mittelpunkt seiner Forschungstätigkeiten stehen insbesondere das Mikrobiom und die Darmgesundheit.

Was ist das Berufsfeld eines Mikrobiologen?

BioProphyl: Prof. Dr. Markus Egert, Sie sind Professor für Mikrobiologie & Hygiene. Können Sie uns in zwei Sätzen erklären, was Ihr Berufsfeld ausmacht?


Prof. Dr. Egert: Mein Team und ich untersuchen, welche Mikroorganismen auf und im Menschen, aber auch in seiner häuslichen Umgebung vorkommen. Wir schauen, was die Mikroorganismen da so treiben, ob das für den Menschen eher gut oder schlecht ist und wie man die mikrobiellen Gemeinschaften vor Ort so verändern kann, dass es für die Gesundheit förderlich ist.


Warum ist die Darmgesundheit so wichtig?

BioProphyl: Oftmals vergessen wir, wie viele Prozesse auf kleinster Mikroebene in unserem Körper vorgehen, vor allem im Darm. Warum ist es so wichtig, die Darmgesundheit aufrechtzuerhalten?


Prof. Dr. Egert: Man weiß heute, dass die Mikroorganismen im Dickdarm – vermutlich an die 10 Billionen –, eine wichtige Rolle für Gesundheit und Wohlbefinden des Menschen spielen. Die Forschung interessiert sich dafür, inwiefern Mikroorganismen die Verdauung unterstützen, unsere Immunabwehr stimulieren und bei der Abwehr von Krankheitserregern helfen können. Wir gehen davon aus, dass die vielfältige Darmmikrobiota diesbezüglich nicht nur Auswirkungen auf den Darm hat, sondern quasi in den ganzen Körper hinein „strahlt“. Darüber hinaus wird diskutiert, inwiefern das Mikrobiom das Herz-Kreislaufsystem, die Lunge, die Leber, die Haut und das Nervensystem einschließlich des Gehirns beeinflusst. Wie genau die Mikroben das machen, ist aus wissenschaftlicher Sicht noch weitgehend unverstanden.


Was versteht man unter Darmsanierung?

BioProphyl: Manchmal kommt unser Körper nicht ganz hinterher. Viele werden schon mal von einer Darmsanierung gehört haben. Können Sie kurz erläutern, was sich dahinter verbirgt?


Prof. Dr. Egert: Der Begriff „Darmsanierung“ ist nicht klar definiert. Er ist kein feststehender medizinischer Begriff. Für mich ist damit gemeint, eine dysbiotische – also eine aus dem Gleichgewicht gekommene – Darmmikrobiota wieder in ein für den Menschen förderliches Gleichgewicht zu bringen, indem man zum Beispiel versucht, die Anzahl förderlicher Bakterien zu erhöhen und die Anzahl schädlicher Bakterien zu verringern.


Wie wichtig ist mikrobielle Diversität für die Darmgesundheit?

BioProphyl: Prof. Egert, basierend auf Ihren Forschungen, wie wichtig ist die mikrobielle Diversität für eine gesunde Darmflora?


Prof. Dr. Egert: Vielfalt (Diversität), also die Anzahl an mikrobiellen Spezies im Darm, ist aus meinen wissenschaftlichen Beobachtungen ein wichtiges Kriterium für eine gesunde Darmmikrobiota. Oder anders ausgedrückt: Eine Darmmikrobiota, die nur aus wenigen Arten besteht, halte ich für nicht so förderlich und schützend wie eine vielfältige Mikrobiota. In unseren wissenschaftlichen Untersuchungen konnten wir zeigen, dass Krankheiten mit einer reduzierten Mikrobenvielfalt im Darm einhergehen. Wir haben diesen Zusammenhang bei unseren Studien zur Darmmikrobiota von Patienten mit Morbus Parkinson festgestellt: Diese reduzierte Vielfalt macht wiederum anfälliger für weitere Erkrankungen – so zumindest unsere Einschätzung. Bildlich gesprochen hat der Borkenkäfer in einer Fichten-Monokultur relativ leichtes Spiel, während ein Mischwald ihm eher widersteht.


Welche Auswirkungen haben Antibiotika auf die Darmgesundheit?

BioProphyl: Antibiotika sind als Therapie bei einigen Erkrankungen notwendig. Sie können aber auch die Darmgesundheit beeinflussen. Viele Patienten bekommen Antibiotika verschrieben, ohne sich über die Nebenwirkungen im Klaren zu sein. Welche Folgen kann die Einnahme von Antibiotika für die Darmgesundheit haben?


Prof. Dr. Egert: Antibiotika sind wichtige Medikamente bei Infektionskrankheiten. Allerdings unterscheiden sie nicht zwischen Freund und Feind, sondern töten neben den bakteriellen Infektionserregern auch förderliche Bakterien – beispielsweise im Darm – ab. Dies kann zu Nebenwirkungen wie Durchfall führen. Die Auswirkungen von Antibiotika können monatelang anhalten und umgekehrt findet die Darmmikrobiota gar nicht mehr in den Zustand vor der Behandlung zurück. Studien an Mäusen haben sogar gezeigt, dass Antibiotikagabe bei Muttertieren zu einer veränderten Darmmikrobiota bei deren Nachwuchs führt.


Welche Rolle spielen Probiotika und Präbiotika bei der Darmsanierung?

BioProphyl: Sie haben von 2013 bis 2015 an Präbiotika geforscht im Rahmen des Projekt "Prä Bio-SIP". Inwiefern spielen Probiotika und Präbiotika eine Rolle bei der Darmsanierung?


Prof. Dr. Egert: Probiotika sind lebende Bakterien, die, mit der Nahrung eingenommen, die Zusammensetzung der Darmmikrobiota positiv beeinflussen sollen. Präbiotika sind verdauungsresistente Nahrungsbestandteile, oft Kohlenhydrate, die als Nahrung und damit Stimulation für bereits im Darm lebende, förderliche Bakterien dienen. Beide gelten als etablierte Strategien, um eine dysbiotische Darmmikrobiota – nach oder während einer Antibiotikatherapie – wieder aufzubauen.


Welchen Einfluss hat der Lebensstil auf die Darmgesundheit?

BioProphyl: Welche Rolle spielt die Ernährung und der allgemeine Lebensstil bei der Darmsanierung und dem Erhalt einer gesunden Darmflora?


Prof. Dr. Egert: Die Ernährung spielt eine überragende Rolle für den Erhalt einer gesunden Darmmikrobiota. Dabei gelten die altbekannten Regeln: Viel Pflanzliches – vor allem Faserstoffe, wenig Fleisch und Zucker, möglichst viel Frisches und wenig prozessierte und konservierte Fertignahrung. Weitere wichtige Faktoren sind viel Bewegung, kein Rauchen, keine Drogen, viel Kontakt mit der Umwelt und vor allem mit Tieren.


Gibt es Mythen über Darmsanierung, die korrigiert werden sollten?

BioProphyl: Gibt es gängige Mythen oder Missverständnisse über das Thema Darmsanierung, die Sie gerne klarstellen möchten?


Prof. Dr. Egert: Die Forschung stuft den Darm und seine Mikroben als wichtige Faktoren für die Gesundheit des Menschens ein, aber sie sind nicht die Antwort auf alle Krankheiten. Und man darf keine Wunder erwarten. Darmsanierung ist keine knallharte Therapie, sondern hat auch viel mit Wohlfühlen zu tun. Eine Darmsanierung anzustreben, ohne gleichzeitig auf seine Ernährung zu achten, mehr Sport zu treiben, das Rauchen einzustellen oder starkes Übergewicht zu reduzieren, macht wenig Sinn.


Was empfiehlt Prof. Egert bei Darmproblemen?

BioProphyl: Was würden Sie Menschen empfehlen, die mit Darmproblemen kämpfen und eine Darmsanierung in Betracht ziehen?


Prof. Dr. Egert: Sie sollten ihren Lebensstil, insbesondere ihre Ernährung, kontrollieren und sich gegebenenfalls an einen Arzt wenden, der Erfahrung mit der sogenannten mikrobiellen Therapie hat. Die Einnahme von pro- und präbiotischen Präparaten kann aus meiner Sicht eine sinnvolle Ergänzung sein.